Shaolin Spirit: Weisheiten des Meisters Shi Heng Yi

Shaolin-Mönche haben in der westlichen Welt vor allem dank kommerziell erfolgreicher Filme, Serien und Shows Legendenstatus. Im Fokus der Produktionen steht dabei meist das spektakuläre Kung Fu – eine Kampfkunst, bei der die Kämpfenden die Gesetze der Physik durch extreme Körperbeherrschung außer Kraft zu setzen scheinen.

Und tatsächlich: Ein über Jahrzehnte trainierter Shaolin kann solche unvorstellbaren körperlichen Leistungen vollbringen. Den Shaolin Spirit zu leben, beinhaltet aber noch so viel mehr und kann dich auch ohne kräftezehrendes Training auf den Weg zu dir selbst führen.

 

Kung Fu, Qi Gong, Lebensweisheiten: Was gehört zum Shaolin-Training?

Kampfkunst, Körperübungen, Meditation, Energietraining – die Komplexität des Shaolin-Trainings wird deutlich, wenn man die zahlreichen Methoden und Übungen betrachtet, die mit der Shaolin-Tradition in Verbindung gebracht werden. Doch diese Vielfalt ist notwendig, um neben der körperlichen Ebene auch mentale Stärke und geistige Gesundheit zu fördern.

In unserem Alltag erhalten wir immer wieder Einblicke in diese Methoden. Viele Kalendersprüche sind die verkürzte Variante der strengen Tugenden der Shaolin, kleine aufgestapelte Steintürmchen am Wegrand sind das Sinnbild für einen ruhigen Geist durch Meditation. Und wenn wir Menschen im Park wellenartige Körper- und Atemübungen praktizieren sehen, üben diese sich in Qi Gong nach Shaolin-Art, das auf die Harmonisierung von Körper, Geist und Seele abzielt.

Diese drei Ebenen – Körper, Geist, Seele – ins Gleichgewicht zu bringen, ist das übergeordnete Ziel des harten Shaolin-Trainings und nach Shaolin-Philosophie der Weg zu einem wahrhaft glücklichen Leben.

Den Shaolin Spirit in dir selbst zu etablieren, bedeutet, deinen Körper und Geist wieder zu vereinen […].
Shi Heng Yi in »Shaolin Spirit«

Die Ursprünge der Shaolin-Philosophie

Die tiefe Weisheit der Shaolin-Mönche über die Geheimnisse eines guten Lebens stammt aus der über 1.500-jährigen Geschichte des Ordens. Diese nahm ihren Anfang, als Bodhidharma, der 28. Nachfolger des historischen Buddha, im 5. Jahrhundert in ein Kloster am Fuße des Gebirges Songshan in der Provinz Henan bestellt wurde, wo er im Auftrag des Kaisers buddhistische Texte ins Chinesische übersetzen sollte, um die Lehren Buddhas weiter zu verbreiten. 

Im Kloster hielten sich bereits Mönche auf, die sich im Kampf übten. Für diese Kampfmönche entwickelte Bodhidharma Meditationsübungen, die einen Ausgleich zu den harten Körperübungen schaffen sollten. Dabei konnte er beobachten, wie eng Körper und Geist zusammenhängen, und wie sich die eine Ebene durch Training der anderen beeinflussen lässt. 

So ist die Shaolin-Tradition tief im Buddhismus verwurzelt und wird aufrecht erhalten im Sinne des ursprünglichen Auftrags zur Übersetzung und Weitergabe der Lehren Buddhas.

Shaolin-Meister Shi Heng Yi

Heute gibt es weltweit zahlreiche Shaolin-Tempel, Schulen und Zentren, die in den meisten Fällen von Mönchen aus dem ursprünglichen chinesischen Kloster oder deren Schülern gegründet wurden. So auch der von Meister Shi Heng Yi ins Leben gerufene Shaolin Temple Europe in Otterberg. 

Shi Heng Yi (geb. 1983 in Kaiserslautern) trainierte seit seiner frühen Kindheit Shaolin Kung Fu und Qi Gong als Schüler von verschiedenen Großmeistern, und hatte auch die Möglichkeit, direkt von Meistern aus dem Kloster am Song Shan zu lernen. Mit der Gründung des Shaolin Temple Europe erfüllte er sein tiefes Herzensziel, allen Menschen einen Zugang zu den heilsamen Lehren der Shaolin zu ermöglichen. Die traditionellen Tugenden und Techniken werden hier verständlich erklärt und in das moderne Leben integriert.

 

Shaolin-Übungen nach Shi Heng Yi

Die Methoden von Meister Shi Heng Yi sind so konzipiert, dass du jederzeit damit beginnen kannst, unabhängig von deinem Alter, deiner Kondition oder deiner aktuellen Lebenssituation. Wir möchten dir deshalb zwei Übungen vorstellen, mit denen du sofort etwas Shaolin Spirit in deinen Alltag holen kannst – egal wo du heute stehst.

Alles, was du für die Übungen benötigst – deinen Körper, deine Atmung –, trägst du bei dir.
Shi Heng Yi in »Shaolin Spirit«

1. Deinen Atem anpassen

Grundlage für das Leben sowie alle weiteren Techniken ist der Atem. Der Atem verbindet das Innen mit dem Außen, den Geist mit dem Körper. Je besser wir den Atem regulieren können, desto leichter fällt es uns, Einfluss auf unsere körperliche und geistige Leistungsfähigkeit und eine harmonische Beziehung zwischen beiden Ebenen zu nehmen. 
Um ein Bewusstsein für deine Atmung zu schaffen, kannst du bei verschiedenen Aspekten ansetzen:

  • Tiefe des Atems: Beobachte einmal, wohin dein Atem bei der Einatmung fließt. In die Brust, in den Bauch, in die Körperseiten? Wo spürst du Blockaden, die einen tiefen Atemfluss verhindern? 
     
  • Dauer der Atemzüge: Wie lang dauert deine Einatmung im Vergleich zur Ausatmung? Nutze Lippen, Zähne und Kehle, um spielerisch Einfluss auf das Volumen, das Geräusch und die Dauer deines Atemstroms zu nehmen.
     
  • Atemrhythmus: Probiere verschiedene Atemrhythmen aus. Kurze Einatmung – lange Ausatmung; lange Einatmung – lange Ausatmung; lange Einatmung – kurze Ausatmung. Wichtig: Lass dir genügend Zeit zwischen den jeweiligen Varianten, am besten Stunden, und spüre nach, welche Auswirkungen die verschiedenen Rhythmen auf deine Gedanken und deinen Körper haben.
     

2. Deinen Körper durch Massage kennenlernen

Um deinen Körper gesund zu halten und seine Signale zu verstehen, ist es wichtig, dass du dich mit ihm beschäftigst und ihn so gut wie möglich kennenlernst. Viele Shaolin-Praktizierende tasten ihren Körper täglich ab, um ein klareres Körperbewusstsein zu schaffen. 

Diese Übung schult dich aber auch darin, deinen Geist zu öffnen, indem du einfach präsent bist, ohne zu bewerten. Du lernst, ohne Erwartungshaltung neugierig zu erforschen und nicht (vorschnell) zu reagieren. 

Und so kannst du vorgehen:

  • Suche dir einen Ort, an dem du ungestört sein kannst. Nimm dir so viel Zeit, wie du brauchst. Mindestens aber fünf Minuten. 
     
  • Komme in eine für dich bequeme Position.
     
  • Reib deine Handflächen aneinander, bis diese warm werden. Schließe deine Augen und legen deine Handflächen sanft darauf. Bleibe hier mindestens für 30 Sekunden. 
     
  • Streiche dann mit deinen Daumenballen entlang der Nasenflügel auf und ab. Atme ein, während du nach oben streichst, und atme aus, wenn du nach unten streichst. Bleibe hier für mindestens neun Atemzüge. 
     
  • Betaste dann deine Ohren. Nimm wahr, wie unterschiedlich sich Ohrläppchen und -muschel anfühlen. Ziehe sanft an den Ohrläppchen und massiere das ganze Ohr.
     
  • Führe deine Daumenballen über deine Augenbrauen, immer von innen nach außen.
     
  • Streiche mit den Fingerspitzen von deiner Stirn über den Kopf in den Nacken. Klopfe leicht mit den Fingerkuppen über die ganze Schädeldecke und bewege dann deine Kopfhaut in verschiedene Richtungen. 
     
  • Taste so auch den Rest deines Körpers ab. Massiere dich selbst von Kopf bis Fuß.
     
  • Beobachte, wie sich die Berührungen anfühlen, auf dem Körper und an deinen Fingern und Handflächen. 
     

Dein Shaolin-Weg beginnt jetzt und endet nie

Den Shaolin-Spirit zu leben, muss nicht heißen, dass du täglich stundenlang Kung Fu praktizierst. Nach Meister Shi Heng Yi kann die Shaolin-Philosophie dein Leben auch bereichern, wenn du die Lehren und Methoden der Shaolin mit Respekt und Achtung für ihre Tradition in deinen modernen Alltag integrierst.

Du kannst damit anfangen, deinen Atem zu beobachten und die Zeichen deines Körpers wahrzunehmen. Damit schulst du deine Feinfühligkeit dir selbst und anderen gegenüber und entwickelst ein Gespür, wo und wann das Gleichgewicht in deinem Leben gestört wird und wie du es selbst wieder herstellen kannst. Es geht nicht darum, dass du ein bestimmtes Ziel erreichst. Wichtig ist, dass du den wundervollen Weg zu schätzen lernst, den du in diesem Leben gehen darfst.

 

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