Was ist eine ausgewogene Ernährung?

Ernährungsformen und ihre Philosophien

Wir alle kennen das Hin und Her zwischen den Ernährungsphilosophien: Die Vollwertköstler*innen unterstellen den Rohköstler*innen, sie ernährten sich nicht vollwertig ausgewogen. Die Tieresser*innen schließen vegane Ernährung kategorisch aus, weil eine ausgewogene Ernährung ja eben sämtliche Lebensmittel enthalten müsse. Die Vegetarier*innen behaupten, dass eine ausgewogene Ernährung ohne Fleisch auskommt. Und die Low Carb-Community meint, dass eine ausgewogene Ernährung möglichst wenige Kohlenhydrate enthalten sollte, aber möglichst viel Eiweiß. Was ist nun der richtiger Weg, wenn man sich ausgewogen und gesund ernähren möchte?

 

Die »All-for-one«-Ernährung gibt es nicht

Und jetzt komme ich daher und sage, jeder hat Recht! Denn eigentlich ist Ernährung eine ziemlich natürliche und unkomplizierte Sache. Je nachdem, welche Umweltbedingungen vorherrschten, mussten auch schon unsere steinzeitlichen Vorfahren und deren Vorfahren zwangsweise die verschiedensten Ernährungsweisen ausprobieren.

Allein schon aufgrund der weltweit unterschiedlichen geografischen und klimatischen Bedingungen ist es unmöglich, eine »All-for-One«-Ernährung zu erfinden oder aus der Vergangenheit herleiten zu wollen. In der heutigen Zeit können wir durch die Verbreitung von Wissen und Lebensmitteln aus aller Welt unterschiedliche Ernährungsweisen ausprobieren. Der wichtige Unterschied ist, wir können, wir müssen nicht. 
 

Der Schlüssel zur Ausgewogenheit ist das Verhältnis
Dr. Malte Rubach

Das richtige Verhältnis von Energie und Eiweiß

Bei all diesen unterschiedlichen Ernährungsweisen gibt es inzwischen so etwas wie eine allgemein anerkannte Nahrungszusammenstellung, durch die der Mensch mit ausreichend Energie und Eiweiß versorgt werden soll. Das betrifft vor allem den Energie- und Proteingehalt der Nahrung. Die Energie stammt aus Fett und Kohlenhydraten und das Eiweiß, nun ja, stammt aus dem Eiweiß.

Und hier kommt die Ausgewogenheit ins Spiel: Da unser Körper täglich einen gewissen Energie- und Eiweißumsatz hat, wir aber auch nur eine begrenzte Menge an Nahrung körperlich verarbeiten können, sollte die Nahrung Energie und Eiweiß im richtigen Verhältnis liefern. Diese Ausgewogenheit kann fast jede Ernährungsrichtung problemlos liefern. Allerdings können starre Regeln bei manchen Ernährungsformen auch schnell zu einer einseitigen Verschiebung der Nährstoffe führen.
 

 

Gründe für einseitige Ernährung und Mangel

Beispiele für eine Ernährung nach strengen Vorschriften, bei der das Problem der Einseitigkeit besteht, liefert beispielsweise die Ketogene Ernährung. Hier ist das Risiko hoch, zu viele gesättigte Fettsäuren aufzunehmen. Im Gegensatz dazu besteht bei einer strikt veganen Ernährung die Gefahr, langfristig einen Eisen - und Kalziummangel zu erleiden.

Natürlich beinhaltet die vegane Ernährung auch Vorteile - mehr dazu erfährst du hier!

Eine Ernährung nach den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung macht es da schon einfacher. Die Lebensmittelauswahl ist hier nicht von vornherein begrenzt und somit sinkt das Risiko für eine einseitige Ernährung.

Doch auch dann kann man natürlich in bestimmte Gewohnheiten verfallen, die zu einer einseitigen Ernährung führen. Ein gutes Beispiel ist hier der deutlich zu hohe Fleischverzehr in Deutschland, der dreifach höher liegt als empfohlen.

Egal welche Ernährungsphilosophie man nun favorisiert, eine möglichst abwechslungsreiche Kost bedeutet immer auch ein geringeres Risiko für eine einseitige Ernährung.
 

Versorgung mit Mikronährstoffen

Einen Schritt weiter geht die Frage nach den Mikronährstoffen. Eine ausgewogene Ernährung sollte ausreichend Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente liefern. Hier kommen manche Ernährungsweisen bereits an ihre Grenzen. So besteht sowohl bei Rohköstler*innen, Veganer*innen und Paleo-Verfechter*innen, als auch bei Anhänger*innen einer ketogenen oder Low Carb Ernährung die Gefahr, einen Mangel an bestimmten Nährstoffen zu  entwickeln. Diese Risiken lassen sich jeweils bewusst kalkulieren und entweder mit einer passenden Lebensmittelauswahl oder einer synthetischen Nahrungsergänzung minimieren. Der Haken daran: Das muss man wissen.

 

Essen wir zu viel?

Am Wissen hapert es jedoch häufig, wenn ein Trend nach dem anderen unsere Ernährung dauerbeeinflusst. Ein in unserer Gesellschaft viel größeres Problem als ein Mangel an Mikronährstoffen ist jedoch: wir essen schlicht zu viel, laut Nationaler Verzehrstudie.

Sehen wir uns das etwas genauer an: Die Gesamtmenge an Kohlenhydraten passt in etwa, jedoch nehmen wir zu viel zugesetzten Zucker auf. Auch beim Fett könnte es etwas weniger sein, hier sollten wir ungesättigte Fettsäuren bevorzugen. Beim Protein liegen wir ebenso 20 Prozent über der Zufuhrempfehlung. Also trotz eines unkomplizierten Regelwerkes wie den 10 Regeln der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, essen wir schlicht zu viel.

 

Der kanadische Teller kann als Modell für ausgewogene Ernährung stehen.
Dr. Malte Rubach

Strenge Ernährungsregeln als Lösung?

Strengere Vorschriften wie bei anderen Ernährungsweisen haben dagegen den Vorteil, dass sie unsere Auswahlmöglichkeiten bereits von Anfang an einschränken. Aus der Konsumpsychologie kennt man das „Auswahl-Paradoxon“: Je weniger wir zwischen mehreren Möglichkeiten entscheiden müssen, desto einfacher fällt uns die Entscheidung, obwohl wir gerne möglichst viel Wahlfreiheit hätten.

Deshalb finden wir Diäten mit ihren einfachen Regeln wie Low Carb oder vegane und vegetarische Ernährung auf den ersten Blick so ansprechend. Lass dieses und jenes weg, dann wirst du wahlweise gesund, schön oder lebst länger. 

Leider ist es langfristig aber doch nicht so einfach. Vielen Menschen fällt es jedoch schwer diese Ernährungsumstellungen konsequent einzuhalten.

Wie schafft man also dauerhaft Orientierung?
 

 

Das Tellerprinzip: der kanadische Teller

In meinem Buch »Das Geheimnis des gesunden Alterns« schlage ich das Modell der kanadischen Regierung vor, dass sich übersetzt so etwas wie »Teller in Balance« nennen würde. Es ist ganz einfach:

  • Die Hälfte des Tellers ist Gemüse
  • Ein Viertel sind kohlenhydratreiche Lebensmittel: z. B. Brot, Kartoffeln, Reis, Pseudogetreide, Pasta
  • Ein Viertel des Tellers sind eiweißreiche Lebensmittel: z. B Hülsenfrüchte, Sojaprodukte, Fleisch, Milchprodukte und Eier
  • Zum Nachtisch gibt es Obst
  • Garniert wird der Teller mit einer guten Portion pflanzlichen Öls, etwas Butter aufs Brot ist aber natürlich auch in Ordnung

 

Je vielfältiger desto ausgewogener

Der Vorteil dieser Vorstellung von einem Tellerprinzip ist es, dass er bereits alle wichtigen Lebensmittelgruppen in den Mengen demonstriert, die eine ausgewogene Ernährung ermöglichen. Wie groß der Teller ist, kannst du für dich selbst entscheiden. Egal, ob du Allesesser*in, Vegetarier*in oder Veganer*in bist, du kannst genügend Alternativen finden, die eine gesunde und ausgewogene Ernährung ermöglichen. Und das gilt morgens, mittags und abends. 

Ausgewogene Mahlzeit Beispiel: Koche Kartoffeln, schneide ein paar Tomaten, Gurken und Radieschen, brate ein kleines Hühnerbrustfilet an oder koche eine Portion Linsen auf, wenn du Vegetarier*in oder Veganer*in bist. Würze ein wenig mit Gemüsebrühe oder einfach nur Pfeffer, Salz und Petersilie. Mische alles zusammen oder genieße es angerichtet auf einem schönen Teller. Verfeinere das Gericht einfach mit drei oder vier Löffeln Rapsöl und etwas Weißweinessig.

Auch die einzelnen Komponenten sind beliebig austauschbar, je nach Geschmack und ohne große Kochkunst. Du kannst ausprobieren, was dir schmeckt, was für dich funktioniert und praktisch ist.

 

Abwechslungsreiche Ernährung auch mit Ayurveda

Dieses Teller-Prinzip findet sich auch in manchen Ernährungsweisen wieder, wie zum Beispiel in der ayurvedischen Küche, die nach den fünf Elementen Äther, Luft, Feuer, Wasser und Erde funktioniert. Aus diese Elementen leiten sich auch die sechs Geschmacksrichtungen der ayurvedischen Küche ab: bitter, süß, sauer, salzig, scharf und herb.

Lese hier mehr zu den Ayurveda Basics in Sachen Ernährung.

Jede Mahlzeit des Tages sollte aus diesen sechs Geschmacksrichtungen bestehen, die wiederum durch bestimmte Lebensmittel repräsentiert werden. Auf diese Weise ist eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung garantiert. 

Wir halten also fest: egal ob kanadischer Teller, ayurvedische Küche oder eine andere Ernährungsweise, je vielfältiger die Auswahl an möglichen Lebensmitteln, desto ausgewogener die Ernährung. Und das gilt für jede Ernährungsphilosophie.
 

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